Wie kann die Digitalisierung der Immobilienbewirtschaftung auf den Weg gebracht werden?
In vielen Branchen kommt die Digitalisierung bislang nicht wirklich voran. Auch in der Immobilienbewirtschaftung prägen Buzzwords eine technologielastige Diskussion, man spricht mehr über Technologie als über deren sinnvollen Einsatz. Dabei sind relevante Technologien vielfach schon seit Jahren verfügbar, es gelingt vielen Unternehmen aber nicht, diese für sich sinnvoll nutzbar zu machen. Denn oft wird übersehen, dass die Digitalisierung nicht in erster Linie von der Technik lebt.
Bereits Mitte 2016 hat die Computerwoche festgestellt, dass es offenbar deutlich einfacher ist, über Technologie zu sprechen, als über deren sinnvollen Einsatz. Der Status Quo der Digitalisierung in der Immobilienbranche scheint diese These zu bestätigen, auch im Bereich der Bewirtschaftung. Die einen sehen die Blockchain bereits kurz vor dem Durchbruch, andere postulieren die Ära der Proptechs, aber am Ende des Tages ist für viele der Durchbruch der Digitalisierung erst einmal dadurch gelungen, dass Mitarbeiter virenbedingt zu Skype oder Teams greifen mussten. Was man bislang zu selten liest, sind wirkliche Erfolgsmeldungen über marktfähige digitale Geschäftsmodelle, Produkte oder Prozesse. Es stellt sich die Frage, welche Wege aus dem digiTal führen und wie die Digitalisierung richtig angegangen werden kann.
Die erfolgreiche Digitalisierung ist immer ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren, auf die wir in Form einer Serie in unserem Blog eingehen wollen. Zunächst geht es um die Bedeutung von Prozessen, in weiteren Folgen werden wir die Bedeutung von Daten und Systemen, Menschen und Kultur sowie Strategie und Management betrachten.
Was wollen Sie digitalisieren, wenn nicht Ihre Prozesse?
Robert Hierzer bringt die Relevanz von Prozessen für die Digitalisierung auf den Punkt: „Die Digitalisierung ist in aller Munde. Doch was wollen Sie im Unternehmen digitalisieren, wenn nicht die Prozesse?„
Ohne hinreichend definierte Prozesse ist eine erfolgreiche Digitalisierung faktisch unmöglich. Wer kein klares und zeitgemäßes Prozessmodell vor Augen hat, kann wesentliche Entscheidungen im Hinblick auf die Digitalisierung gar nicht treffen:
- Wer etwa mit einem Partner ein neues Mieterportal aufbauen will, muss dennoch die vor- oder nachgelagerten Prozesse im Auge haben, denn die entstehenden Informationen müssen geliefert bzw. weiterverarbeitet werden, etwa damit der Handwerker für die Behebung des vom Mieter gemeldeten Mangels auch bezahlt wird.
- Wer über den sinnvollen Einsatz von Sensorik nachdenkt, hat mittlerweile nicht mehr das Problem, die Messdaten zu erheben. Die Herausforderung liegt vielmehr darin, aus der Nutzung der Daten ein vermarktbares Produkt zu machen, was im Kern wiederum ein prozessuales Thema ist.
- Und wer darüber nachdenkt, seine in die Jahre gekommene Systemwelt auf einen aktuellen Stand zu bringen, der sollte im Detail wissen, welche Teilprozesse von einer verbesserten Systemunterstützung am meisten profitieren, da solche Renovierungsarbeiten vielfach nur schrittweise möglich sind und daher die Reihenfolge stimmen muss.
An dieser Stelle rächt es sich, dass Unternehmen ihre Prozesse vielfach nur definiert und dokumentiert haben, um eine ISO-Zertifizierung zu erhalten, wenn überhaupt. Prozesse werden vielfach nicht richtig verstanden, selten im Top-Management angesiedelt und wenig strategisch interpretiert. Und selbst wenn Prozesse definiert wurden, werden diese nur in Ausnahmefällen unternehmensweit einheitlich angewendet. Dabei entfaltet die Digitalisierung gerade hier besondere Wirkung, denn digitalisierte Prozesse benötigen keine wiederkehrenden manuellen Eingriffe, erlauben diese allerdings auch nicht
Was ist wichtig?
- Bei der Modellierung neuer oder der Überarbeitung vorhandener Prozesse sollten in einem ersten Schritt die operativen Kernprozesse betrachtet werden, da diese in der Regel die größte Spannweite und Komplexität aufweisen.
- Moderne Werkzeuge für die Modellierung der Prozesse erleichtern neben der eigentlichen Abbildung der Prozesse auch die Abbildung weiterer Parameter. So sollte für jeden Prozessschritt die Festlegung der Rollen und Verantwortlichkeiten (etwa in Form eines RACI-Schemas) erfolgen, um eine Überleitung der Prozesse auf die Organisation zu ermöglichen. Es sollte zudem definiert werden, in welchem Umfang der Prozess eine Systemunterstützung benötigt, als Grundlage für erforderliche Systementscheidungen oder die Bewertung vorhandener Systeme. Dies sollte in jedem Fall auch Umfang und Qualität der benötigten Daten umfassen, die je nach Ausgangslage ggf. noch zu erfassen sind. Zudem sind Schnittstellen zu anderen Prozessen zu dokumentieren. Eine rein grafische Aufbereitung der Prozesse führt hier insofern nicht zum Ziel.
- Die Spannweite der Prozesse sollte jeweils vollständige Handlungsstränge abdecken (End-to-End-Ansatz). Die Mangelmeldung eines Mieters endet in einem so definierten Prozess etwa erst bei der Abrechnung der durchgeführten Reparatur und nicht bereits im Call-Center. Prozesse werden damit vielfach abteilungsübergreifend modelliert, was deutlich erhöhte Anforderungen an die Spielregeln für die Prozessgestaltung und die Implementierung der Prozesse stellt.
- Die erforderlichen Prozessworkshops sollten stringent moderiert werden, wobei der Moderator neben den methodischen Grundlagen der Modellierung auch über entsprechende Branchenkenntnis und eine hinreichende Neutralität verfügen sollte, um sicherzustellen, dass bisherige Verfahren an relevanten Stellen hinterfragt und nicht einfach fortgeschrieben werden.
Abschließend ein Blick auf die wirtschaftliche Seite: IT-Projekte sind schon in der Vergangenheit häufig daran gescheitert, dass die beauftragten Funktionalitäten nicht dem effektiven Bedarf der Anwender entsprochen haben, da die effektiven Leistungsprozesse nicht in erforderlichem Umfang berücksichtig wurden. Für künftige digitale Projekte gilt dies umso mehr. Angesichts dessen ist ein vertiefter Blick auf die Prozesse eine gute Investition.